Befreiung vom (digitalen) Überfluss

Der CO2-Fußabdruck des Internets

Das Internet gilt im Blick auf die Klimaschädlichkeit und CO2-Emission mittlerweile als schlimmer als der Flugverkehr. Wir sollten die Art, wie wir Websites bauen, sehr kritisch hinterfragen.

Die tatsächlichen Emissionen, die durch den Betrieb und die Nutzung des Internets verursacht werden, sind nicht so leicht zu ermitteln, da sie verteilt über den ganzen Globus stattfinden. Außerdem ist umstritten, inwieweit das Internet auch zu einer Entlastung des Klimas beiträgt (Stichwort „Videokonferenz statt Flugreise“) oder als Brandbeschleuniger des Klimawandels wirkt (Stichwort „Rebound-Effekt“). Neben dem gigantischen Stromverbrauch gibt es noch weitere klimabelastende Faktoren, wie z.B. die Infrastuktur/Hardware, die aus begrenzten Rohstoffen hergestellt wird und eine sehr kurze Lebensdauer hat.

Ich habe mich gefragt, ob man die Klimabelastung des Internets nicht irgendwie konkreter fassbar machen kann, so wie es die CO2-Rechner z.B. für Flugreisen, Stromverbrauch usw. bereits tun. Folgendes habe ich dazu gefunden:

CO2-Emission pro Gigabyte Datentransfer

Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2008, die einen Stromverbrauch von 13 kWh pro Gigabyte übertragenen Datenvolumen ermittelt und dann auf 7 kg CO2 pro Gigabyte kommt. Man muss aber wissen, dass sich die Energieeffizienz von Datenverarbeitungsanlagen alle 1,57 Jahre verdoppelt. Damit läge man heute theoretisch bei ca. 100 g CO2 pro Gigabyte. Da die Infrastruktur eine gewisse Lebensdauer hat, wird die reale Effizienz niedriger liegen, also die CO2-Emission pro GB, liegt vermutlich (noch) darüber.

Aktuellere und genauere Zahlen liefert The Shift Project – ein französischer Think Tank, der sich für die Umstellung auf eine CO2-neutrale Wirtschaft einsetzt. Er hat u.a. mit dem »Carbonizer« ein Firefox Browser-Addon und eine Android-App entwickelt, mit der man die CO2-Emissionen seiner Internetnutzung aufzeichnen und schätzen kann. Der dort zugrundegelegte Wert (für die EU) liegt bei ca. 140 g CO2 pro Gigabyte. Man kann das letztlich nicht so genau auf einen einzelnen Nutzer herunterbrechen. Solche Werte bleiben grobe Schätzungen und können eine Anregung liefern, das eigene Nutzerverhalten zu überdenken. Die absoluten Zahlen dagegen kennt man mittlerweile relativ genau:

Der globale CO2-Fußabdruck des Internets steigt laut Shift Project jährlich um 9%. Sein Anteil an den globalen Klimagasemissionen ist von 2,5% im Jahr 2013 auf 3,7% in 2019 gestiegen. 2020 soll der Anteil bereits bei 4% liegen und 2025 wird der Anteil auf 7% gestiegen sein und damit die Emissionen des gesamten weltweiten Autoverkehrs übersteigen! Und laut Forschern der TU Dresden wird das Internet im Jahr 2030 so viel Strom verbrauchen, wie die gesamte Weltbevölkerung im Jahr 2011.

Ich beziehe aber schon seit vielen Jahren Ökostrom, der ja klimaneutral produziert wird. Wobei der größere Teil des internetbezogenen Energieverbrauchs in den Rechenzentren und der Internet-Infrastruktur erfolgt. Besonders der Trend zum Cloud Computing ist sehr energiehungrig. Und auch große Betreiber von Rechenzentren wie Google und Apple rühmen sich mittlerweile, überwiegend mit Ökostrom zu arbeiten. Also ist alles doch gar nicht so schlimm? Sind wir auf dem richtigen Weg zur Null-Emission des Internets und kann dieses Thema schon bald – wenn alle Beteiligten auf Ökostrom umgestellt haben – abgehakt werden!?

Dazu ein kurzer Exkurs zum Ökostrom:

Ist Ökostrom die Lösung?

Weltweit wird ca. 24% des Stroms aus regenerativen Quellen erzeugt. Das klingt eigentlich ganz gut. Man muss aber wissen, dass der größte Teil (ca. 17%) davon Wasserkraft ist, die schon immer genutzt wurde, weil sie eine günstige und einfache Art der Stromerzeugung darstellt. Deshalb siedeln sich große Rechenzentren auch häufig in der Nähe von großen Wasserkraftwerken an.

Nun ist es aber so, dass sich dadurch, dass ich Ökostrom beziehe, nichts daran ändert, wie viel Strom konventionell produziert wird. Der gesamte produzierte Strom – egal aus welcher Quelle – innerhalb eines Versorgungsnetzes wird von allen Abnehmern gemeinsam konsumiert. Der einzige Unterschied zwischen einem Ökostrom-Abnehmer und einem Abnehmer des herkömmlichen Strommixes liegt darin, dass mein Geld komplett an den Ökostrom-Anbieter geht. Indirekt entziehe ich damit dem Strommix etwas Ökostrom, und Leute, denen das egal ist, bezahlen nun eben über den veränderten Strommix etwas mehr an den Kohlestrom-Anbieter (siehe: Wikipedia/Ökostrom). Das ist auf dieser Ebene erst mal nur eine Sache der privaten Moral und kann vielleicht das eigene Gewissen beruhigen. Unterm Strich hat sich für die Zusammensetzung des Energiemix und für das Klima gar nichts geändert. Ändern würde sich erst dann etwas, wenn zusätzlich noch in neue regenerative Kraftwerke investiert würde. (Gute Ökostromanbieter machen das tatsächlich.)

Einfach mal abschalten

Der weltweite Energieverbrauch steigt ständig. Gerade für das Internet wird für die nächsten Jahrzehnte ein immer höherer Energieverbrauch prognostiziert (und da ist die zu erwartende Effizienzsteigerung schon eingerechnet). Und das Internet wird in Zukunft konkurrieren mit weiteren sehr energiehungrigen Technologien wie Elektroautos oder der Idee, klimaneutral mit Ökostrom zu heizen. Selbst wenn wir es also schaffen würden, den wachsenden Energiebedarf mit immer weiteren neuen Ökostrom-Kraftwerken zu decken (was aus heutiger Sicht ziemlich utopisch ist), würde immer noch genau so viel CO2 emittiert wie heute. Denn erst, wenn fossile Kraftwerke tatsächlich abgeschaltet werden, sinkt der CO2-Ausstoß (Stichwort: Kohleausstieg). Um wirklich CO2 zu sparen, hilft es also überhaupt nichts, neue regenerative Kraftwerke zu bauen, solange die alten nicht abgeschaltet werden! Leider gibt es derzeit überhaupt kein realistisches Szenario, wie wir bei dem dramatisch steigenden Strombedarf und relativ geringem Anteil erneuerbarer Energie den CO2-Ausstoß absolut gesehen reduzieren könnten.

Webentwickler for future!

Und hier kommen (auch) wir als Webentwickler ins Spiel: Angenommen, wir würden stärker darauf achten, Websites schlanker zu programmieren, so dass sie beispielsweise im Durchschnitt nur noch halb so viel Datenvolumen benötigen (das wäre nicht mal eine besonders große Herausforderung), würde das den damit verbundenen Stromverbrauch ebenfalls halbieren und die Hälfte der dafür nötigen fossilen Kraftwerke könnte abgeschaltet werden!

Wir sollten die Art, wie wir Websites bauen und auch die Konsumgewohnheiten, die wir damit gefördert haben, sehr kritisch hinterfragen: Websites mit vielen seitenfüllenden Bildern und Bildkarussels sind in gewisser Weise die SUVs des Internets: groß und auffällig um jeden Preis. Aber braucht man das wirklich? Ist das in Zeiten wachsenden Klimabewusstseins noch zeitgemäß? Ich plädiere für „Digitale Suffizienz“. Statt bedenkenlos immer mehr Datenvolumen zu verschleudern, weil das technisch möglich ist, sollten wir in allen Bereichen datensparsamer werden und versuchen, unsere Aufträge mit absolut gesehen immer weniger Datenverkehr zu erfüllen. Das könnte unser Beitrag für die notwendige radikale Reduktion der CO2-Emissionen in allen Bereichen unseres Lebens sein.


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